Jes.9,1-6 und die 4 Advents-Sonntage/-kerzen
Weinberg-KG, 13.12.09
3. Advent: jedes Kind weiß bei uns, dass es 4 Kerzen und Sonntage werden müssen. Warum eigentlich? Warum 4? Was bedeuten sie? Allein wg. der Stimmung, Licht, Brauch, alle Jahre wieder, kann es wohl nicht sein. Auch das wissen die meisten: Advent ist eine Vorbereitungs-, traditionell auch Fasten- und Bußzeit. Es heißt Ankunft, Ankommen – aber wer kommt denn? Und was erwarten wir wirklich?
Zunächst ein paar Infos über die Entstehung des Brauchs: Aus der Antike ist die Kerze das Symbol für den Kampf der Christen gegen das Dunkle auf der Welt. Der Kranz ist ein Siegeszeichen. Der Adventskranz wurde 1839 von dem lutherischen Theologen und Erzieher Johann Hinrich Wichern (1808–1881) eingeführt. Der Erzählung nach nahm der Hamburger Wichern sich einiger Kinder an, die in großer Armut lebten. Er zog mit ihnen in das Rauhe Haus, ein altes Bauernhaus, und betreute sie dort. Das wurde zu einem Vorläufer unserer heutigen christlichen Diakonie. Weil die Kinder während der Adventszeit immer fragten, wann denn endlich Weihnachten sei, baute er aus einem alten Wagenrad einen Holzkranz mit 19 kleinen roten und vier großen weißen Kerzen. Jeden Tag der Adventszeit wurde nun eine weitere Kerze angezündet, an den Adventssonntagen eine große Kerze mehr, sodass die Kinder die Tage bis Weihnachten abzählen konnten. Aus dieser großen Ausführung mit minimal 18, wenn der Heiligabend mit dem vierten Adventssonntag zusammenfällt, bis maximal 24 kleinen Kerzen, wenn Heiligabend auf einen Sonnabend fällt, und 4 großen Kerzen hat sich unser heutiger Adventskranz mit 4 Kerzen entwickelt. Und das erst recht spät: Der erste Kranz mit 4 Kerzen tauchte erstmals 1925 in Köln in einer katholischen Kirche auf. Besonders durch die Jugendbewegung verbreitete sich der Adventskranz in Deutschland und ist nun weltweit bekannt.
Die biblische Lichtsymbolik ist natürlich viel älter, auch die Vorfreude auf das Kommen des von Gott gesandten Erlösers. Der folgende Abschnitt aus dem alttestamentarischen Propheten Jesaja wurde darum seit jeher auf die adventliche Erwartung und die weihnachtliche Freude bezogen (9,1-6):
1 Das Volk, das im Finstern wandelt, sieht ein großes Licht, und über denen, die da wohnen im finstern Lande, scheint es hell. 2 Du, Gott, weckst lauten Jubel, du machst groß die Freude. Vor dir wird man sich freuen, wie man sich freut in der Ernte, wie man fröhlich ist, wenn man Beute austeilt. 3 Denn du hast ihr drücken-des Joch, die Jochstange auf ihrer Schulter und den Stecken ihres Treibers zerbrochen wie am Tage Midians. 4 Denn jeder Stiefel, der mit Gedröhn dahergeht, und jeder Mantel, durch Blut geschleift, wird verbrannt und vom Feuer verzehrt. 5 Denn uns ist ein Kind geboren, ein Sohn ist uns gegeben, und die Herrschaft ruht auf seiner Schulter; und er heißt Wunder-Rat, Gott-Held, Ewig-Vater, Friede-Fürst; 6 auf dass seine Herrschaft groß werde und des Friedens kein Ende sei.
„Licht, wo Finsternis war, lautes Jubelgeschrei, spektakuläre Befreiungsaktion“ — dramatische Szenen und Bilder, die so wenig mit der heutigen Lage übereinstimmen. Dramatisch für uns heute ist die Finanzkrise, die verbrannten Milliarden, und deren Folgen für die Arbeitslosigkeit und den Hunger in der Welt.
„Doch es wird nicht dunkel bleiben über denen, die in Angst sind“, heißt es direkt vor den gelesenen Versen. Das sagte Jes. 700 Jahre vor Jesu Geburt. Ja, und es ist nicht dunkel geblieben. Stern, Krippe, Weise zu Weihn. zeigen es: „Das Licht scheint in der Finsternis“ (Joh.1), Gott kommt als Kind zu den Menschen — das war und ist der Advent Gottes bei den Menschen. Gott kommt zur Welt. Daran erinnert besonders der 1. Advent (1. Kerze) mit den Berichten vom Einzug Jesu in Jerusalem, also vom Kommen des Lichts in unsere dunkle Welt.
Aber erinnern die Propheten-Worte nicht auch an ein anderes Ereignis?
2 Du, Gott, weckst lauten Jubel, du machst groß die Freude. Vor dir wird man sich freuen, wie man sich freut in der Ernte, wie man fröhlich ist, wenn man Beute austeilt. 3 Denn du hast ihr drückendes Joch, die Jochstange auf ihrer Schulter und den Stecken ihres Treibers zerbrochen.
Ja, ich meine den Mauerfall! Ist das nicht wie für 1989 geschrieben? Wir haben alle unsere Erfahrungen und Geschichten an diese Wahnsinnstage vor 20 Jahren, an die wir uns vor 5 Wochen erinnert und sie hoffentlich anderen erzählt haben. Wir lebten als Familie 11 Jahre bis Anfang 89 im Märkischen Viertel –- vom Küchenfenster konnte man die Mauer sehen. Zum 20. Jubiläum dieses die Weltpolitik umwälzenden Ereignisses gab es zahlreiche Dankgottesdienste, auch Gebetstreffen fanden an der ehemaligen Grenze statt.
Aber wir wissen, dass mit dem 9. Nov. auch noch ein schreckliches Ereignis vor 61 Jahren verbunden ist, die Reichspogromnacht als Beginn der Vernichtung der Juden durch die Deutschen. Hören Sie auf diesen Satz aus Jes.9: Denn jeder Stiefel, der mit Gedröhn daher geht, und jeder Mantel, durch Blut geschleift, wird verbrannt und vom Feuer verzehrt. Klingt das nicht wie für die Verarbeitung von 1938 geschrieben? Die dröhnenden SS-Stiefel und die blutigen Mäntel der KZ-Schlächter, sollen nicht mehr sein. Dann wären also der Fall der Mauer 1989 und die Einheit des als Kriegsfolge geteilten Deutschland 1990 eine gnädige Aufhebung dieser „Trennungsstrafe“ von Gott.
Erstaunliche Zusammenhänge im Wort Gottes! So wie er es damals durch Jes. ankündigte, machte er es im Kommen von Jesus wahr. Auf eine ähnliche Art, mit demselben Herzen für die Freiheit seiner Menschenkinder handelt unser Gott auch heute. Gewiss ist das Kommen des Gottessohns einmalig, aber in den alten Jesaja-Worten und der Geburt Jesu kommt doch das Wesen Gottes zum Vorschein. Gott wirkt auch heute, wie der Prophet ihn mit speziellen Namen beschreibt: Er heißt Wunder-Rat, Gott-Held, Ewig-Vater, Friede-Fürst — auf dass seine Herrschaft groß werde und des Friedens kein Ende sei.
Da muss ich wieder an die Ereignisse des 9.11.1989 denken: War es nicht ein Ausdruck von Gottes souveräner Herrschaft und seinem Humor, was da Unerhörtes geschah: Schabowski missdeutet den Zettel, sein Versehen öffnete die Mauer; die russischen Truppen blieben in den Kasernen, weil Gorbatschow nicht geweckt werden durfte. Dieser durch und durch organisierte Kontrollstaat endete im organisatorischen Chaos. Wir haben einen Herrn, der der Mächtigen spottet, der die Freiheit überraschend herbeiführt, einen Gott, der die Geschichte in der Hand hat -– und unser aller Leben. Sollten wir ihm nicht unsere Herzenstüren öffnen, wie es im Adventslied heißt?
Deshalb ist Advent viel mehr als Erinnerung an Vergangenes (ach ja, damals das Jesuskind), sondern Gegenwart: Er, der Gekommene, ist jetzt da, hier unter uns, unsichtbar, aber real. Erstaunt? Manche Adventslieder drücken es aus: „Wie soll ich dich empfangen und wie begegn ich dir?“ Ist er auch bei dir da? Drin im Herzen, der Mitte deiner Person? Ist er dein Herr? Füllt er dich aus? Ist er bei dir „mit seinem Geist und Gaben“? Nicht sichtbar, aber so, dass du ihn spürst und schaust in deinem Herzen und deinem Geist. Wenn nicht, dann kann es kann bei dir so werden, wenn du willst. Jesus in uns, in dir, das ist der 2. Advent (2.Kerze)! Jesus kam, kommt und wird am Ende der Zeiten für alle sichtbar wiederkommen — entspr. die Texte des 2. Advent, die genau von dieser Erwartung sprechen. Ja, es wird einmal der letzte Advent kommen, wohl nicht dieses Jahr, sondern am Ende der Zeiten. Wenn Jesus, der gekreuzigte und auferstandene Herr für alle Glaubenden und Nichtglaubenden sichtbar und eindeutig wieder kommt. Als Richter und Retter, als Vollstrecker des Willens Gottes und Vollender der Schöpfung. Dann beginnt die Ewigkeit.
Der gekommene und wiederkommende Jesus will in uns persönlich wohnen. Aber da will er nicht bleiben, sondern weiter, raus, zu den anderen, die ihn noch nicht kennen. So eine „Ich und mein Herr Jesus“-Beschaulichkeit ist bei weitem nicht genug. Sondern er schickt uns raus in die Stadt, zu den Menschen in Not und ohne Hoffnung; zu den durch die Finanzkrise Verzweifelten bei uns; zu den durch Nahrungsmittelkrise und Klimawandel Not Leidenden in den Ländern des Südens. So war die Erwartung von Johannes der Täufer, von dem wir eben in der Lesung hörten: „Blinde sehen, Lahme gehen und Arme hören die Freudenbotschaft“. Der Erlöser kommt, nicht nur als Trost für die schon Glaubenden, sondern als Befreier und Helfer für die Leidenden. Wie gehört: die FWA ist ein Vermittler, der Menschen mit Hoffnung zu denen bringt, die Hoffnung besonders nötig brauchen. Es stimmt, Jesus ist speziell für dich gekommen, ja, aber nicht für dich alleine, genauso für die anderen Berliner, Menschen aus allen Kulturen und Völkern. Ein großer und schöner Auftrag: durch uns will er zu ihnen kommen! Er soll bei ihnen ankommen — auch das ist ein Advent, der 3. Advent (3. Kerze)!
Schließlich der 4. Advent (4. Kerze): Vorfreude, Einstellung auf das Kommen Gottes in die Welt, die Geburt des Messias zu Weihnachten. Daher ist in den Bibeltexten des 4. Advents von Maria, ihrer Freude auf die angekündigte wunderbare Geburt des Erlösers und von unserer Freude die Rede. Das liegt in diesem Jahr noch vor uns. Aber die Nr. 4 gehört dazu, damit Weihnachten kommen kann. Genauso gilt es geistlich: Nur wenn alle 4 Bedeutungen der Kerzen des Kranzes zusammen kommen, ist Jesus bei uns angekommen. Mit ist das deutlich geworden an einem Kunstwerk, das ich kürzlich entdeckte:
Entdeckte einen Pilgerweg vom evg. Kloster Volkenroda nach Loccum: Skulptur mit vier Säulen im Halbkreis – eine größer als die andere // gegenüber drei abgebrochene Säulen, die den Kreis vervollständigen // in Loccum am Ziel umgekehrt // 4 Säulen: Elemente Wasser, Erde, Luft, Feuer // 3 Säulen: Trinität
Deutung auf einem Schild:
Was auf der Erde beginnt, vollendet sich nur im dreieinigen Gott. Erst wenn wir den Weg mit ihm zu Ende gehen, kommt alles zusammen und wird vollständig. Ein Bild für den persönlichen Glaubensweg: das Ganze werden wir erst sehen, wenn wir den Weg gegangen sind. Könnte es nicht mit der deutschen Einheit genauso sein? Erst wenn das Evg. mehr Raum bekommt, viele Menschen den dreieinigen Gott erkennen, wird die Einheit „vollendet“ sein? Wenn es nicht nur in den Herzen, sondern auch in der Öffentlichkeit wahr wird, was schon Jes. über den Sohn Gottes sagt, der Wunder-Rat heißt, Gott-Held, Ewig-Vater, Friede-Fürst; 6 auf dass seine Herrschaft groß werde und des Friedens kein Ende sei.
Wenn Sie zuhause die 4 Kerzen des Adventskranzes sehen und anzün-den, dann lassen Sie sich erinnern: Nur wenn alle 4 zusammen sind, ist das Kommen Jesu zu Ihnen vollständig. Geben Sie sich nicht zufrieden mit nur ein oder zwei Advents-Erfahrungen bzw. -Dimensionen! In der Bedeutung der 4 Adventskerzen ist der ganze christliche Glaube im Kern enthalten:
- Erinnerung an den zu uns auf die Erde gekommenen Jesus, das Licht der Völker
- Der am Ende der Zeiten wiederkommende Jesus will heute zu dir
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