Predigt am 6.7.2008

Liebe Gemeinde,

im Januar waren wir zur Kur im freundlichen Schwaben-Ländle. Es gab dort mineralhaltiges Wasser aus der Tiefe der Erde und heilendes Schwefelwasser ebenfalls aus natürlicher Quelle. Das hatte man schon vor 400 Jahre entdeckt. — Und schließlich der Clou: Jura-Schiefer-Gestein — 180 Millionen Jahre alt — das konnte für heilende Fango-Packungen verarbeitet werden.
Es gab aber noch einen anderen Grund für die wohltuende Wirkung dieses Hauses: die christliche Tradition. Christoph Blumhardt hatte dieses Haus in der Mitte des 19. Jahrhunderts geleitet. Für ihn war das Gebet und die Seelsorge am kranken Menschen beinahe noch wichtiger als die Bemühungen der Ärzte mit natürlichen Heilkräften. An dieser Tradition wollte man in diesem Hase festhalten, das inzwischen zu einer modernen Reha-Klinik umgebaut worden war. — So hielt denn die evangelische Seelsorgerin einen Vortrag — für alle Patienten offen — mit dem Thema: „Was hat der Glaube mit der Gesundheit zu tun?“ Daraus habe ich mir vor allem die These gemerkt: Die Gemeinschaft, die in einer christlichen Gemeinde herrscht, tut den Menschen gut. Sie macht die Seele gesund und damit auch den Körper. Es ist in einer solchen Gemeinschaft so schön, dass man am liebsten gar nicht in den Alltag zurückkehren möchte.
Aber kann es nicht auch umgekehrt sein? Gibt es in mancher christlichen Gemeinschaft nicht auch Spannungen, die den Menschen krank machen? — Da kann das einander Dienen zu einem übereinander Herrschen werden. (Wer in einer christlichen Ausbildung gewesen ist, kann davon ein Lied singen.) So scheint die Form der christlichen Gemeinschaft fragwürdig zu werden. Warum kommen wir aber trotzdem immer wieder in der Gemeinde zussammen, um Gottes Wort zu hören — und hoffen dabei, gesund zu bleiben oder sogar, gesund zu werden?
Der Apostel Paulus hat uns — eigentlich ganz versteckt — eine Antwort darauf gegeben:

„Wir haben einen solchen Schatz in irdenen Gefäßen.“ (2. Kor. 4,7)

Unter „Schatz“ ist gemeint „die Erkenntnis, dass Gott groß ist, weil er sich uns Menschen zuwendet.“ Vorher sagt er: „Es ist ein heller Schein in unsere Herzen gegeben …“
Dass sich Gott uns zuwendet, ist der Grund dafür, dass wir Mensch uns einander annehmen sollen — das Kernstück des Glaubens und Lebens. — Dies muss aber realisiert werden in der Welt, in dem menschlichen Zusammenleben, wo es auch Störungen gibt: Gemeinheiten statt liebevollen Umgang — und von außen sogar Verfolgungen (s. 2. Kor. 4, 8-10).
Ehe ich darauf eingehe, möchte ich einen Exkurs machen, ein Beispiel geben, wie Christus in seiner Kirche Zeichen des Glaubens in irdische Materie steckt.

I.

Ich habe hier ein solches irdenes Gefäß. Es ist eine Kaffeekanne aus Steingut, vermutlich hergestellt vor dem Ersten Weltkrieg. Es ist nur Wasser darin, ich kann es ausgießen: ich tue es …!
Daneben habe ich eine Weinkanne aus edlem Material, hier ist es Edelstahl oder Nickel. Solche Weinkannen können auch aus Silber oder Gold sein. — Der Bischof Niklaus hat der Sage nach mit solch kostbarem Kirchengerät eine ganze Stadt vor dem Hungertod gerettet, indem er den Domschatz von Myra den Seeräubern überließ. Andernfalls hätten die Räuber die Kinder der Stadt mitgenommen.
In dieser Kanne ist edler Wein. — Ich gieße eine Probe in ein Glas. — Ich kann es ausschütten. — Ich tue es aber nicht. Das Wasser hätte ich auch nicht ausschütten sollen. Denn ausgerechnet Wasser und Wein sind Flüssigkeiten, Materialien oder „Äußere Zeichen“. „Äußere Zeichen“ — das ist die Sprache in der Sakramentslehre.
Unter dem „Vergießen von Wasser“ werden Menschenkinder zu Gotteskindern getauft. Da kam eine Stimme vom Himmel: „Das ist mein lieber Sohn.“
Genauso werden in unseren Kirchen Menschenkinder mit Wasser getauft, manchmal sogar mit Jordanwasser, wie vor zwei Jahren. Über sie wird dann auch gesagt: Das sind Gottes Kinder. — Das Wasser ist also ein Schatz, gefasst in ein Gefäß von Materialien unserer Erde: Silber, Zinn oder Keramik — wenn das Wort des Sakramentes dazu kommt: „N.N. — du Menschenkind: ich taufe dich …!“
Bei dem Vergießen von Wein geschieht nach dem Willen von Jesus folgendes:
Der Wein oder Traubensaft ist zwar in unserer Konsumwelt wertvoller als Wasser. Aber ein besonderer Schatz ist es auch, wenn wir im Abendmahl gewärtig werden, dass Jesus sein Blut für uns am Kreuz vergossen hat. Wasser oder Wein — wertvoll soll es für uns sein! Dabei ist es zweitrangig, ob es aus einer Kanne aus Steingut, aus einer Blechbüchse oder aus Gold gereicht wird. Entscheidend ist, was wir im Glauben daraus machen.
Denn wir haben eben solche Schätze in irdenen Gefäßen, d.h., aus den Materialien dieser Welt. — Es ist doppelt irdisch: Einmal die Flüssigkeiten: klares Wasser und simpler Wein und dann die Gefäße.

II.

„Wir haben aber einen Schatz in irdenen — in irdischen — Gefäßen.“

Ich möchte diesen Spruch aber auch vor allem auf die Bedeutung der Kirchengemeinden angewendet wissen. Eingangs habe ich gesagt, wie es für die Pfarrerin in der Rehaklinik wichtig war: die christliche Gemeinschaft ist für Leib und Seele eines jeden Menschen wertvoll wie ein Schatz. Wir haben ihn in der äußeren Form der Kirchengemeinde wie in einem Gefäß.
Aber wir Menschen gehen mit diesem Gefäß oft unachtsam um: Da kommen Sprünge und Risse in das Gefäß. Da treten Verunreinigungen auf, die den Geschmack des Inhaltes negativ verändern, oder der Inhalt schmeckt mit der Zeit fade. Da geht auch manches Porzellan kaputt, weil man nicht ahnt, wie zerbrechlich das Gefäß an manchen Stellen ist. Das belastet uns sehr, und wir finden es schade.
Aber das Wort Gottes, die Botschaft von Gottes Liebe — und die so gegebene Möglichkeit, einander Liebe zu geben, diese Botschaft gibt es nicht ohne Gefäß, ohne Kirchengemeinden — in welcher Struktur sie auch immer sich darstellt, auch nicht ohne die übergreifenden so genannte „Organisierte Kirche“.
Wenn auch viel von der Substanz verloren geht durch „Menschenleid und Schuld“: Es bleibt uns ein Rest, von dem wir leben können. Wenn auch die Reinheit des Inhaltes durch Verunreinigung oder durch Missbrauch leidet: Gott hat es in der Geschichte seiner Christenheit immer wieder fertig gebracht, dass sich der Schatz erneuert. Wenn es Gottesbeweise geben würde, das wäre einer.
AMEN.

Pfarrer Peter-Paul Brügge

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