Buchempfehlung: Das Neue Testament, jüdisch erklärt

Ein Buch als Heilmittel: Das Neue Testament, jüdisch erklärt

Rezension von Pfarrer Cord Hasselblatt

Seit dem Oktober letzten Jahres wird „Das Neue Testament-Jüdisch erklärt“ von der Deutschen Bibelgesellschaft ausgeliefert. Es ist ein absolut epochales Werk und die bisherige Krönung der christlich-jüdischen Beziehungen, welche seit 1945 allmählich neu gestaltet werden. Über 70 jüdische Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlicher kommentieren und erläutern auf insgesamt 912 Seiten das Neue Testament. Niemals vorher hat es das gegeben! Vielleicht ist das vergleichbar mit der Übersetzung der hebräischen Bibel in die griechische Sprache durch angeblich 72 Gelehrte in der Antike. Damals entstand die Septuaginta, die vielfach im Neuen Testament zitiert wird.

Heute kann durch dieses neue Buch ein neues Verständnis des Neuen Testaments entstehen, welches seinen jüdischen Zusammenhang wirklich ernst nimmt. Dieses Buch ist der bisherige Höhepunkt einer jahrzehntelangen Entwicklung. Vor etwa 15 Jahren noch hat in Haus Ohrbeck in einer Arbeitsgruppe eine junge jüdische Frau mir durchaus nachvollziehbar und energisch den Standpunkt vertreten, es gäbe absolut keinen Grund für sie, sich mit diesem in der Antike vergleichsweise nebensächlichen Schrifttum zu befassen. Und so haben wir in dieser Arbeitsgruppe den Lobgesang der Maria aus dem 1. Kapitel des Lukas-Evangelium auch nicht besprochen.

Wir Christen aus der Völkerwelt erhalten mit diesem Buch ein eigentlich nicht vorhersehbares Geschenk: Es ist in seiner Gänze ein wirkliches Heilmittel gegen unseren uns seit neutestamentlicher Zeit eingeprägten Antijudaimus. Neben einer sehr gründlichen Kommentierung sämtlicher Schriften des Neuen Testaments mit jeweiligen einleitenden Bemerkungen und Info-Boxen enthält es in seinem zweiten Teil eine Vielzahl von Aufsätzen, die in sehr kurzer Form die zahlreichen Sachverhalte darstellen, die in diesem Themenfeld wichtig sind. Das reicht vom „griechisch-römische(n) Hintergrund des Neuen Testament“ über „Gesellschaft“, „Strömungen und Gemeinschaften“, „Juden und Nichtjuden“, „Glaubenspraxis“, „Glaubensvorstellungen“, „Jüdische Literatur/Jüdische Quellen“, „Reaktionen auf das Neue Testament“ bis hin „Zur Situation in Deutschland und Europa“. Der letzte Abschnitt mit seinen vier Kurz-Aufsätzen ist eine (sehr gute und informative) Ergänzung in dieser deutschen Ausgabe. Die englische Original-Ausgabe erschien 2011 und wurde für die zweite Auflage 2016 überarbeitet und ergänzt.