Der gute Hirte: Predigt Pf. Seeger, 26.4.2009, Pichelsdorf

images3Liebe Gemeinde!

Ich bin der gute Hirte! Darf das ein Pfarrer von sich sagen? Nun – er darf es hoffen, dass möglichst viele Menschen der Gemeinde ihn so wie einen guten Hirten erleben, der sich in aufopferungsvoller Weise um seine Herde kümmert und auch denen nachgeht und sich um sie kümmert, die sich verrannt haben, die sich im Gestrüpp von Egoismus oder irgendwelcher Machtgelüste abgesondert haben.

Hier im heutigen Sonntagsevangelium aber redet nicht irgendein Pfarrer, sondern es ist Jesus selber, der sich mit diesen Worten kennzeichnet: Ich bin der gute Hirte!

Johannes, der Lieblingsjünger Jesu, hat uns alle Ich-bin-Worte Jesu überliefert: Ich bin der gute Hirte, Ich bin das Brot des Lebens, Ich bin das Licht der Welt, Ich bin die Tür, Ich bin der wahre Weinstock, Ich bin die Auferstehung und das Leben, Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben. Johannes hat die tiefgehende, ganz persönliche Ansprache Jesu offenbar in einer Weise empfunden, die ihm unmittelbare und ganz direkte Einblicke in die Bedeutung Jesu für die Menschheit erlaubte.

„Ich bin“, das ist eine in Israel altbekannte Formulierung. So spricht im Alten Testament Gott selber von sich, wenn er seinem Volk als alleiniger Retter und Herr der Welt gegenübertritt. „Ich bin euer Trost“, sagt er z.B. beim Propheten Jesaja.

Wenn Jesus also seinem Lieblingsjünger in dieser bekannten Redewendung begegnet, dann wird deutlich, dass alles, was Menschen sich vom Himmel erhoffen und ersehnen, in ihm – und nur in ihm – Erfüllung findet.

„Ich bin der gute Hirte“ – das ist ein Mutmachwort, Auch wenn wir nicht mehr in landwirtschaftlich geprägter Umgebung leben, verstehen wir den Kern dieser Aussage noch gut!

Letztlich sehnt sich wohl jeder Mensch danach, dass sein Leben verlässlich geprägt und geleitet wird.

Natürlich gibt es da auch unsere Eltern, Freunde, vielleicht auch gute Lehrer oder Chefs, die unser Leben in besonderer Weise geprägt haben oder immer noch begleiten. Jeder mag da einen ganz besonderen Menschen vor Augen haben, der ihm zur Seite steht, der ihn stützt oder der ihm aufhilft in besonders schwierigen Situationen.

Doch Vorsicht, ein altes Gedicht warnt uns:

Menschengunst – ein Nebeldunst!

Die dich liebend heut umfassen

Können morgen dich schon hassen.

Menschen sind halt doch nur Menschen, immer mit Fehlern und Enttäuschendem behaftet, auch wenn wir das meistens nicht sehen wollen.

„Ich bin der gute Hirte“ – das sagt der Menschensohn, der aber zugleich auch Gottessohn ist – darin liegt der Unterschied!

Wäre Jesus nur ein begnadeter und begabter Mensch, würde es uns sicher auch gut gehen, wenn wir seiner Lehre vertrauen, aber er hätte nicht die Heilsbedeutung für uns die er hat. Da aber durch ihn Gott selber zu uns spricht, ist doch mehr an ihm dran. Dadurch erblicken wir das Heil, auch wenn wir Unheil erleben. Dadurch schöpfen wir Hoffnung, auch wenn uns die Hoffnungslosigkeit den Lebensatem raubt.

Wenn Jesus wirklich der gute Hirte unseres Lebens ist, dann sorgt er sich nicht nur um unsere Kleidung, unsere Nahrung, um Frieden und ein versorgtes, schönes Leben.

Mit dem guten Hirten Jesus sind wir auf dem richtigen Weg.

Im Pluralismus unserer Tage umschwirren uns zigtausend Meinungen und Ansichten, Weltanschauungen und Ideologien.

Da sehnt sich mancher nach dem starken Mann. Doch genau das ist Jesus nicht. Er ist am Kreuz gestorben, er war schwach, nicht mal sein Kreuz konnte er hinauf nach Golgatha tragen. Er ist auch nicht vom Kreuz herabgestiegen und hat seinen Peinigern die Harke gezeigt. „Meine Kraft ist in den Schwachen mächtig“ hat Gott gesagt (2. Kor 12).

Kirche hat heutzutage viel an Macht und Glanz, an Stärke und Einfluss verloren. Das schadet nichts, wenn nur das Wort Gottes rein und unverfälscht zu Gehör gebracht wird. Ich hoffe zwar sehr, dass der heutige Volksentscheid für die Wahlfreiheit zwischen Religion und Ethik erfolgreich ist und dass Religion endlich ein Lehrfach an unsere Berliner Schulen wird, das nicht mehr an den Rand gedrängt werden darf. Aber selbst wenn dieser Volksentscheid scheitern sollte, werden wir in dieser Gesellschaft den guten Hirten Jesus Christus predigen und Menschen für ihn gewinnen.

Soweit so gut, liebe Gemeinde. Doch nun gibt es in diesem „Ich-bin-Wort“ Jesu auch noch den bösen Wolf. Nicht den mit den Wackersteinen aus Rotkäppchen, auch nicht den Wolf, der hier und da wieder in den Wäldern Brandenburgs auftaucht und der einmal zu den natürlichen Wildtieren unserer Landschaft gehörte. Nein – Jesus redet hier von der Macht des Bösen, der es immer wieder gelingt, seine Jünger zu entzweien und zu verwirren. Welche Gemeinde ist frei davon? Wohl keine!

Wunderbar, wenn es gelingt, dass wir Gottes Geist spüren in irgendwelchen Gemeindekreisen und –gruppen. Wunderbar, wenn wir um die Nähe Jesu wissen und wenn wir irgendworan spüren, dass unser Leben und Handeln seiner Botschaft entspricht.

Doch man hört auch immer wieder Stöhnen in unserer Kirche, man erlebt Rückschläge und Misserfolge in unseren Gemeinden. Schnell ist man enttäuscht, wenn der Pfarrer oder wenn Mitarbeiter und Kirchenälteste nicht den richtigen Ton treffen oder wenn die ganze Atmosphäre nicht stimmt. Doch glauben wir ja nicht, dass es uns damit allein so geht oder dass wir in besonderer Weise davon betroffen sind, dass es Wölfe unter unserer Herde gibt.

Martin Luther hat nicht umsonst gebetet: „Lieber Gott, ich habe angefangen, zu predigen und das Volk zu lehren. Es will aber nicht vorangehen, es stößt sich hier und da, aber das schadet nicht….Ich lasse dich sorgen, wie es geraten wird!“

Ein deutlicher Hinweis für uns Pfarrer und alle anderen, die im Auftrag des Herrn unterwegs sind: Er ist der gute Hirte, nicht wir! Luther sagt: „Missrät es, so missrät es dir! Gerät es, so gerät es mir und dir“

Amen.