24.2.2008 (Oculi): 1. Kö 19,1-8

Sonntag OCULI 2008,
Predigttext: 1. Könige 19,1-8. (9-13a) (VI. Reihe)

Gnade sei mit euch
und Frieden von GOtt, unserem Vater,
und dem Herrn Jesus Christus.

Amen.

Elia war eine gewaltige und rätselhafte Gestalt. Über seine Lebensumstände wissen wir nur sehr wenig. Er taucht hier und da auf und ist wieder weg. Als Ahab, der König des Nordreiches Israel, ihn suchen läßt, schwören alle Befragten, sie hätten ihn nicht gesehen. Ihm werden unglaubliche Dinge zugetraut. Als es zu einer großen Dürre kommt, sagt er: „Es soll nicht regnen, bis ich es sage.“

Elia ist kompromißlos. Das Volk glaubt, seinen GOtt, der es durch die Wüste geführt hatte, zusam-men mit den Gottheiten des Kulturlandes verehren zu können. Sie sehen darin keinen Widerspruch, von diesen Regen und Fruchtbarkeit der Erde zu erwarten, wie schon die vor ihnen ansässige Bevölkerung. Und warum auch nicht den Baal, den die Königin Isebel, eine phönizische Prinzessin aus Tyrus, mitgebracht hat. Vielleicht ist es letztlich ja sogar ein und derselbe Gott.

Elia sagt: „Nein! Entweder – oder!“ Und deshalb nimmt Elia den Kampf auf. Seinen größten Sieg erringt er, als er 450 Priester des Baal auf der Bergspitze des Karmel zum GOttesurteil herausfordert. Eine ganzen Tag lang flehen sie ihren Gott an um ein Zeichen seiner Macht. Ihr Kulttanz steigert sich zu ekstatischer Raserei mit einer immer lauter werdenden Beschwörung: „Baal, erhöre uns!“ Aber – so wird triumphierend berichtet: Kein Laut, keine Antwort. Elia spottet: „Ruft doch lauter! Er ist wohl in Gedanken oder austreten gegangen oder auf Reisen. Vielleicht schläft er auch und wird dann erwachen.“

Als dann aber Elia seinen GOtt anruft, schweigt dieser nicht. Er tut sich kund durch Feuer, das vom Himmel fällt und das dargebotene Brandopfer verzehrt. Als das Volk das sieht, ruft es: „Das ist unser GOtt!“ Und wer hätte es gedacht – natürlich kommt danach auch der langersehnte Regen auf.

Selbst König Ahab unterwirft sich. Doch nicht so seine Frau. Der kompromißlose Elia trifft hier mit Isebel auf eine eben so unerbittliche Streiterin für Baal. Als Ahab ihr berichtet, was Elia getan hat, läßt sie diesem durch einen Boten folgendes Ausrichten: „Wenn du Elia bist, so bin ich Isebel. Die Götter sollen mir dies oder jenes antun, wenn ich nicht morgen um diese Zeit, dein Leben von dir genommen habe.“ Das ist eine handfeste Drohung und Isebel untermauert das mit Formulierungen, die klar machen, daß sie es nicht bei Worten belassen wird.

„Du bist Elia“, sagt sie – oder mit vollem Namen (wie er in der hebräischen Bibel genannt ist): „Du bist Elijahu.“ Der Name des Propheten enthält den Namen seines GOttes – der HERR, wie wir ihn für gewöhnlich umschreiben. Elijahu, das heißt Mein GOtt ist Jahu oder Jahwä oder eben Mein GOtt ist der HERR – hier müssen wir halt passen. Wir kennen nur die Konsonanten des GOttesnamens: JHWH. Wir wissen aber nicht mehr, wie der Name unseres GOttes auszusprechen ist. Mit Sicherheit nicht Jehova. Hierin entzieht er sich uns dem Begrifflichen. Doch sicher ist, daß unser GOtt einen Namen hat und daß der Prophet ihn immer mit sich trägt: Mein GOtt ist der HERR – das paßt zum kompromißlosen Elia.

Doch hierin steht Isebel um nichts zurück. „Du bist Elia, also der Vertreter des HERRN, doch ich bin Isebel, die Tochter des Priesters Etbaal, der ebenfalls seinen Gott in Namen führt und jetzt König von Tyrus ist. Und ich bin die Königin von Israel und schaffe hier Raum für meinem Gott.“

Und Elia? Hier beginnt unser Predigttext. Ich lese aus dem 19. Kapitel des 1. Buches der Könige und Königinnen:

Da fürchtete er sich, machte sich auf und lief um sein Leben und kam nach Beërscheba in Juda und ließ seinen Diener dort. Er aber ging hin in die Wüste eine Tagesreise und kam und setzte sich unter einen Ginsterstrauch und wünschte sich zu sterben und sprach: Es ist genug, so nimm nun, HERR, meine Seele; ich bin nicht besser als meine Väter. Und er legte sich hin und schlief unter dem Ginster. Und siehe, ein Bote des HERRN rührte ihn an und sprach zu ihm: Steh auf und iß!

Und er sah sich um, und siehe, zu seinen Häupten lag ein geröstetes Brot und ein Krug mit Wasser. Und da er gegessen und getrunken hatte, legte er sich wieder schlafen. Und der Bote des HERRN kam zum zweitenmal wieder und rührte ihn an und sprach: Steh auf und iß! denn du hast einen weiten Weg vor dir. Und er stand auf und aß und trank und ging durch die Kraft der Speise vierzig Tage und vierzig Nächte bis an den Berg GOttes, dem Horeb.

Und er kam dort in eine Höhle und blieb dort über Nacht. Und siehe, das Wort des HERRN kam zu ihm und sprach zu ihm: Gehe heraus und tritt auf den Berg vor den HERRN! Und siehe, der HERR wird vorübergehen.

Und ein großer, starker Wind, der die Berge zerriß und die Felsen zerbrach, kam vor dem HERRN her; der HERR war aber nicht im Winde. Nach dem Winde aber kam ein Erdbeben; aber der HERR war nicht im Erdbeben. Und nach dem Erdbeben kam ein Feuer; aber der HERR war nicht im Feuer.

Und nach dem Feuer kam ein stilles, sanftes Sausen. Als das Elia hörte, verhüllte er sein Antlitz mit seinem Mantel und ging hinaus und trat in die Tür der Höhle.

Und siehe, da kam eine Stimme zu ihm und sprach: Was hast du hier zu tun, Elia?

Er sprach: Ich habe um den HERRN, den Gott Zebaoth, geeifert; denn die Kinder Israel haben deinen Bund verlassen, deine Altäre zerbrochen, deine Propheten mit dem Schwert getötet, und ich bin allein übriggeblieben, und sie trachten danach, daß sie mir das Leben nehmen.

Aber der HERR sprach zu ihm: Gehe wieder deines Weges durch die Wüste nach Damaskus und gehe hinein und salbe Hasaël zum König über Aram, und Jehu, den Sohn Nimschis, zum König über Israel, und Elisa, den Sohn Schafats, von Abel-Mehola, zum Propheten an deiner Statt. Und ich will übriglassen siebentausend in Israel: alle Knie, die sich nicht gebeugt haben vor Baal, und allen Mund, der ihn nicht geküßt hat.

Liebe Gemeinde!

Welch ein Umschwung nach dem großartigen Sieg! Elia flieht. Zwar schwor Isebel gerade bei jenen Göttern, die sich zuvor auf dem Karmel als so unwirksam erwiesen hatten. Doch diese Frau hat es in sich. Und so nimmt Elia die Drohung ernst, und menschlich und ängstlich wie er ist, läßt er seinen Auftrag als Prophet hinter sich und flieht. Flieht in das Königreich Juda, weit in den Süden bis nach Beërscheba am Rande des Negev.

Das geschieht immer wieder, daß Menschen, die GOtt erlebt haben, plötzlich nicht mehr aus dieser GOtt-Erfahrung leben können. Sie stehen auf einmal wie leer da und sind am Ende. Dann können der festeste Glaube und der am tiefsten gegründete Auftrag zusammenbrechen und keine Sicherheit mehr bieten. So etwas läßt GOtt geschehen.

Eine Lebenskrise beginnt mit dem Scheitern. Eben noch sein großer Triumph, so fühlt Elia seine Mission jetzt gescheitert, seinen Lebensentwurf als Streiter für den HERRN zerbrochen. So wie wenn eine heutzutage etwa von heute auf morgen ihre Arbeit verliert oder einem endgültig klar wird, daß die Ehe unwiederbringlich gescheitert ist. Kein Mensch kann das aber so leicht akzeptieren.

Und in dieser Situation verläßt Elia auch noch der Selbsterhaltungstrieb. Er läßt seinen Diener zurück und geht weiter in den Negev hinein, weiter nach Süden in das Trockenland, das zunächst noch Steppe ist und alsbald in Wüste übergeht. Eine Tagesreise weit dringt er vor, dann ist er am Ende. Er setzt sich in den Schatten eines Strauches und bittet, GOtt möge ihm sein Leben nehmen. Mit den Worten, daß er nicht besser als seine Väter sei, meint er wohl Menschen früherer Generationen, die ebenso von GOtt in den Dienst genommen wurden und schließlich versagten und aufgaben.

Elia hat es satt. Das Leben hat er satt und die Mächtigen. „Es ist genug, HERR, so nimm nun mein Leben!“ Umfassender kann die ganze Misere gar nicht beim Namen genannt werden: „HERR, ich kann nicht mehr. Doch nimm du! Du könntest noch. Damit werfe ich Dir die ganze Last, verbunden mit der Last meines Körpers, den ich auch nicht länger mitschleppen kann, einfach vor die Füße! Ich kann nicht mehr. Doch ich bin ja dein Knecht, HERR. So entlaß mich doch aus deinem Dienst, HERR, setze meinem erfolglosen Wirken ein Ende!“

Hier in Negev ist die Hitze so groß, daß ein Mensch auch im Schatten sehr schnell austrocknet. Elia könnte nun einschlafen und nicht wieder aufwachen. Aber GOtt hält ihn fest. Die Wüste ist nicht ohne Hoffnung. Elia liegt unter einem Ginsterbusch. Die Wurzeln des Ginster sind ausgesprochen lang, reichen bis zum Grundwasser und ermöglichen ihm auch in regenlosen Jahren das Überleben. Und unter solch einem Strauch liegt Elia. Ein Bild für Leben in der Wüste, für Kräfte aus der Tiefe.

Manchmal brauchen wir das, daß wir uns zurückziehen können. Gerade in Krisen sind die gutgemeinten Ratschläge oftmals überflüssig. Bringt Aktionismus wenig, lenkt eher ab, als daß er hilft. Verschaffen Rumrennereien lediglich mehr Unruhe. Wohl denen, die es sich dann leisten können, Abstand zu gewinnen, Ruhe.

Auch bei Elia läßt GOtt den so verzweifelten Mann erst einmal gut und tief schlafen. Eine erstaunliche – und doch so verständliche Therapie. In der selbstgewählten »Wüste« und Einsamkeit wird der Schlaf zur Erquickung und zum Neubeginn für einen Menschen, der doch sterben, gar nicht mehr aufwachen wollte. Doch so schnell geht kein Weg zuende, wenn GOtt es nicht will. Schlaf, nichts als ein ungestörter Schlaf, ist ein gutes Heilmittel gegen Verzweiflung und Traurigkeit. Deshalb tut seelsorgerliche Weisheit gut daran, einen überforderten, überbeanspruchten und verzweifelten Menschen nicht allzu schnell nur ein Bibelwort – oder gar eine ganze Bibel in die Hand zu drücken. Viel besser ist es, einen solchen Menschen aus der Hektik und Unruhe zu befreien. Ihm Ruhe, Erholung, ja Schlaf zu ermöglichen – eben jenen Schlaf, der durch so viel Anstrengung längst verlorengegangen ist und den Körper aus seinem Gleichgewicht gebracht hat.

So geht es oft, wo ein Mensch zwar am Ende seiner Kraft ist, doch ein Rest an Vertrauen blieb, der sich in einem „HERR, es ist genug!“ zeigt. Es entsteht Zeitaufschub. Entspannung tritt ein, manches regelt sich von selbst. Aus der Ruhe heraus sehen die Augen auf einmal anderes – und die Ohren, die nur auf die eigenen Angsttöne eingestellt waren, hören bessere Stimmen.

Schlafen – so sieht die eine Seite der zuteil gewordenen Erquickung aus. Die nächste, von GOtt kommende Hilfe, mag eben so wenig sensationell sein. Irgend etwas Unscheinbares tut sich, doch der zur Ruhe gekommene Mensch vermag Kleinigkeiten jetzt vielleicht ganz anders wahrzunehmen. Ohne Zweifel handelt GOtt nach wie vor in und mit so vielen schwer zu erklärenden Zufällen, kleinen Verschiebungen, ja geradezu lächerlich einfachen Dingen. Wie bei Elia so einfache Dinge wie Brot und Wasser. Die schlichtesten Grundnahrungsmittel – nicht mehr. Aber diese schlichten und doch so naheliegenden Dinge sind es, die Kraft geben.

Bei Elia bringt es Kraft zum Weitergehen. Vierzig Tage und Nächte sagt der Bibeltext – ein Bild für ein von GOtt begleitetes Leben, wie das Volk Israel einst in anderer Richtung vierzig Jahre durch die Wüste unterwegs gewesen war. Und die Vierzig bezeichnet einen Zeitraum, in dem sich Veränderung vorbereitet und durchsetzt, was aber während dieser Dauer noch nicht sichtbar ist. Das Durchleben einer Krise gleicht einer Wanderung durch vierzig Tage und vierzig Nächte – hellere und dunklere Abschnitte, Höhen und Tiefen.

Und Elia wandert zurück, zurück zum Horeb – das ist eine in der Bibel seltener anzutreffende Bezeichnung für den Sinai, dem GOttesberg. Hier hatte sich der HERR einst seinem Volk offenbart, mit ihm den Bund geschlossen und ihm die Weisungen, die Thora, gegeben. In den Bedrängnissen durch das Heidentum kehrt Elia also zurück zum Ort des Ursprungs.

Haben wir heute im Evangelium gehört, daß wer zurückblickt, nicht geeignet für das Reich GOttes sei – so meint dies ein Zurückblicken auf die Zeit vor dem Glauben. So werden auch die Epheser in der Epistel, die wir heute hörten, gewarnt, in das schändliche Verhalten zurückzufallen, das sie hatten, bevor zu zum Glauben fanden. Wer sich nach diesen eigentlich längst überwundenen Dingen zurückseht, ist eben für die Nachfolge nicht geeignet. Bei Elia geht es aber um ein anderes Zurück-blicken. Elia begibt sich zurück an die Wurzeln seines Glaubens und des Glaubens seines Volkes. Und dies ist gerade in Zeiten der Krise sehr hilfreich, sich noch einmal darauf zu besinnen, wo ich eigentlich herkomme.

Und so ist auch die Höhle, in die sich Elia begibt, ein Bild für zweierlei. Die tiefe Höhle ist unheimlich und bedrohlich – aber unumgänglich. Die Krise hat den Sinn, daß sie zur Begegnung mit der eigenen Tiefe führt, mit den bisher verleugneten Schattenseiten, aber auch den unentdeckten Potentialen. Sie ist Rückzug in das Woher, bereitet aber auch schon ein Wohin vor. Und so ist sie Todes- und Geburtsraum zugleich.

Dem so zu seinen Wurzeln zurückgekehrten Elia wird es auch ermöglicht, aus seiner Zurückgezogenheit herauszutreten. Er hat neu zu hören gelernt. Auf den Berg gerufen, hat er Fels unter den Füßen, einen Standpunkt aber auch den Überblick. Er kann frei atmen. Der Berg ist die Stätte der GOttesbegegnung. Aber die Wandlung ist noch nicht zuende. Die beschriebenen Phänomene Sturm, Erdbeben und Feuer begegnen in der Bibel häufig als Begleiterscheinungen des Auftreten GOttes. Mit ihnen kommt der HERR. Doch hier tritt dies wider Erwartens nicht ein. Der HERR ist nicht im Sturm, im Erdbeben und im Feuer. Das Erscheinen GOttes wird mit den seltsamen Worten wiedergegeben, die Luther mit »ein stilles, sanftes Sausen« übersetzt. In der Tat, die hebräischen Worte sind schwer zu deuten. Am besten trifft es wohl die absurd klingende Formulierung »Stimme verschwebenden Schweigens«, doch spiegelt dies genau die Spannung der Erfahrung wieder, die Elia mit GOtt gemacht hat. Elia hatte den HERRN einem Wettergott gleich gemacht, der Feuer von Himmel sandte. Aber in Sturm, Beben, Feuer ist GOtt nicht. So ist auch Elia aus dem Lärm des Kampfes mit den Anhängern Baals in die Stille der Wüste gegangen. Hier am Horeb kommt das Wort GOttes in einer unheimlichen Stille. GOtt enthüllt und verhüllt sich dem Elia zugleich. So wie wir wissen, daß unser GOtt einen Namen hat, uns diesen auszusprechen aber verwehrt bleibt, so zeigt sich GOtt und verbirgt sich zugleich. Dennoch, dem verzagten Elia erscheint er so, wie ihn dieser in seiner Lage einzig wahrnehmen kann, dünn und abgemagert, sanft säuselnd.

Und GOtt fragt Elia, wie es um ihn stehe. Die Antwort zeigt noch einmal die ganze Zerrissenheit. Elia redet von seinem großen Kampf für den HERRN und dann von seinem Alleinsein, seinem bedrohten Leben. Er stellt die Abkehr Israels von seinem GOtt in krassesten Farben dar. Der Bund mit dem HERRN ist in jeder Beziehung zerschnitten. Elia sah sich in seiner Depression als den einzigen Gerechten. Elia hatte den Anspruch, besser zu sein als seine Vorfahren. Immer konsequent zu sein, nie auf zwei Seiten zu hinken, stets für Glauben und Wahrheit einzutreten, vor nichts und niemandem zu weichen. Eine wahrlich gnadenlose selbstauferlegte Norm.

Doch gerade dies mußte umgeschlagen in das Gefühl des totalen Versagens. Mit dem Bekenntnis „Ich bin nicht besser als meine Väter“ zerbrach die lange gehegte Wunschvorstellung. Wie Schuppen fiel es ihm von den Augen. Ich bin ein Mensch mit Grenzen. Weder mit dem Kopf durch die Wand kann ich brechen, noch Systeme oder Gesellschaften verändern. Früher hatte ich das geglaubt, wollte darin sogar besser sein als meine Väter und meine Mütter. Herumkritisiert habe ich an ihnen.

Das hat Elia alles schon längst begriffen. Deshalb wird er auch nicht von GOtt kritisiert, als er noch einmal die alten Klagen vorbringt. Wie der Bote in der Wüste ermahnt GOtt nicht, diskutiert nicht, sondern verheißt ihm durch einen erneuten Auftrag Zukunft für das Volk. Die Stimme des verschwe-benden Schweigens macht deutlich, daß es noch viel zu tun gibt für Elia. Und es gibt nicht nur ein Schwanken zwischen Allmacht und Ohnmacht. Es gibt sanfte Zwischentöne. Sicherlich, nicht immer sind sie gefordert. Zuweilen bedarf es eines klaren Ja oder eines klaren Nein. Doch wer etwas nicht geschafft hat, muß sich noch lange nicht zum Versager stempeln lassen. Manchmal bedarf es der Auszeit – auch für Propheten. Dennoch bleibt die Notwendigkeit der Arbeit an der Gerechtigkeit GOttes – auch für müde Propheten. Aber Elia ist nicht der einzige, für den er sich gehalten hat. Es sind noch 7000 andere da, die Baal nicht verehrt haben – und die Sieben ist die biblische Zahl der Vollkom-menheit. Es sind also viel, viel mehr, als Elia mit seinem verengten Blick meinte.

Und vor allem, auch ein Elia darf fehlbar sein. Die Geschichte GOttes hängt nicht an der Vollkom-menheit einzelner. Sie ist nicht auf unser Werk beschränkt. GOttes Wirken reicht über unser Tun hinaus. Zu begreifen, im GOttes Heilsplan nur ein kleiner Mosaïkstein zu sein, macht uns nicht unbe-deutend. Aber es entlastet ungemein. Wir müssen nichts vollbringen, was wir gar nicht schaffen. GOtt hat die Geschichte mit seinem Volk – selbst wenn es anders aussieht – noch immer selbst in der Hand.

Sicherlich, unser Weg ist nicht der des Elia, und unsere Aufgabe ist eine andere als die des Propheten. Doch hat jede und jeder von uns ein Amt – eine Aufgabe, die niemand anders anvertraut ist. Aufgaben, die jeder Tag uns aufgibt. Das sind meist ganz alltägliche Dinge und vielleicht wird uns dieser Weg, dieser lange Weg durch den Alltag manchmal zuviel. Es ist genug! Dann ist eine Lebens-krise mitunter auch eine Glaubenskrise. Für Elia wird eben diese Lebenskrise zu einer neuen GOttes-begegnung, die ihm ein neues Leben, einen neuen Auftrag schenkt. Die Reise ist lang und das Ziel unterwegs oft nicht zu sehen. Aber wo wir uns im Augenblick auch befinden mögen – als Betroffene, als Begleitende –, die Elia-Geschichte kann uns helfen, unterwegs nicht aufzugeben. Daß wir diese Hoffnung immer wieder spüren, das wünsche ich uns allen.

Und der Friede GOttes,

welcher höher ist als alle Vernunft,

bewahre unsre Herzen und Sinne

in Christus Jesus.

Amen.

Dipl.-Theol. Andreas Baumann