1.5.2008 (Himmelfahrt): Eph. 1, 20b-23

Himmelfahrt (1. Mai) 2008,

Predigttext: Eph 1, 20b-23 (VI. Reihe)

Gnade sei mit euch
und Frieden von GOtt, unserem Vater,
und dem Herrn Jesus Christus.
Amen.

Liebe Gemeinde!

So stellen wir uns den Himmelfahrtstag eigentlich vor. So lieben wir ihn: Herrliches Wetter. Blühende Welt. Strahlend blauer Himmel. Glänzende Laune. Das Wetter und die Natur sind der reinste Stimmungsaufheller. Die Menschen, denen wir dann begegnen, sind sichtbar heiter gestimmt. Es ist regelrecht ein Freude, unterwegs anderen zu begegnen, Radfahrern, Joggern, Familien, Reitern, Leuten in den Gärten. Wer wollte da nicht manchmal alle und alles umarmen. Nicht nur die Menschen. Auch die austreibenden Bäume in ihrem frischen Grün. Auch die Wolken und den Himmel. Wer möchte da nicht manchmal Himmel und Erde in einem Atemzug fassen. Aber wer könnte das!

Herrliches Wetter sagen wir. Doch was heißt das eigentlich? Ein Wetter, in dem wir uns wie Herren vorkommen? Vielleicht. An solch einem Tag fühlen wir uns stark, besonders die Teilnehmer der Herren-Partien. Aber der Herr ist eigentlich ein anderer.

Christus, der geschlagene, der geschundene, der gefolterte, der auf die schädlichste und grausamste Weise hingerichtete – schlimmer als vielleicht manche in ihrem Betrieb kaputtgemacht wurden, in der Arbeit untergegangen sind, verbal getreten, gemobbt wurden oder in die Tretmühlen der Arbeitslosigkeit geraten sind.

Sagte ich da: Herr ist eigentlich nur einer, Christus? Das kann er dann nicht zum Einschüchtern sein, sondern dazu, daß er uns in seine Rolle, Herr zu sein, als die Erlösten mit hineinnimmt, gerade die Geschundenen und auch Sie und Sie.

Sagte ich da: Wir möchten alles umarmen, Himmel und Erde ganz in sich hineinatmen? Wer kann das schon. Ich nicht, Sie auch nicht. Das ist doch nur so ein Gefühl.

Doch genau das, was wir grad an solch einem Tag wie heute wohl gerne täten, aber ja doch nicht können, genau das wird von Christus gesagt. Himmel und Erde umfaßt er. Bäume und Autos und Städte, also alles, was wir heute mit unseren Augen so sehen – und viel mehr als das. Und Stimmungen, Lieder, politische Bewegungen, Maidemonstrationen und Herrentagskremser. Und geheime Gedanken, all das Unsichtbare – umfaßt er! Die Arbeitswelt, Amt und Land und die Staaten der UNO, alles, was jetzt unsere Welt ausmacht – und was daraus werden kann an Völkerfrieden und Menschenglück und was danach die neue Welt GOttes sein wird. Von diesem Christus, der dies alles umspannt, der Himmel und Erde in einem Atemzug faßt, Diesseits und Jenseits, das Jetzt und Später, von dem ist dies alles im heutigen Predigttext aus dem 1. Kapitel des Epheserbriefes gesagt:

GOtt hat durch die Macht seiner Stärke Christus von den Toten auferweckt und ihn gesetzt zu seiner Rechten in den Himmeln,
hoch über alle Obrigkeit und Gewaltausübung und Krafterweisung und Herrschaft und alles, was einen Namen haben mag, nicht allein in diesem Weltzeitalter, sondern auch im bereits angebrochenen [zukünftigen],
und alle Dinge hat GOtt unter seine Füße getan und ihn gesetzt zum Haupt der Gemeinde über alles,
welches sein Leib ist, nämlich die Fülle dessen, der alles in allem erfüllt.

Der Herr segne an uns sein Wort. Amen.

Liebe Gemeinde!

Das ist dann doch noch mal eine ganz andere Sprache! Ein Hymnus, vollgepackt mit Begriffen und Bildern, die wie an einer Kette hintereinander aufgefädelt wirken. Fern scheint hier der Jesus geworden zu sein, der so anschaulich in Gleichnissen, in eingängigen Bildern gesprochen hatte. Ein kosmischer-überkosmischer Kultgott.

Und so wird dieser Jesus am Himmelfahrtstag in manchen Gemeinden dann auch entsorgt. Ein Pfarrer bläst mit heiligem Ernst die Osterkerze, deren Licht den in die Welt gekommenen Christus symbolisiert, aus und trägt sie weg in die Sakristei. 40 Tage nach Ostern ist der Herr weg im Himmel.

Am Himmelfahrtstag wird Jesus mancherorts auf merkwürdige Weise entsorgt. Ein Küster zieht in einer barocken römisch-katholischen Kirche eine Statue des Auferstandenen durch eine Luke auf den Kirchenspeicher.

In dieser Gestalt von Frömmigkeit ist dann Jesus von Nazareth weit weg. Und auch der Verfasser des Epheserbriefes scheint ihn ja in weiter Ferne plaziert zu haben. Er betont, daß Christus über allen Himmeln, über alle pseudohimmlischen, halbhimmlischen oder fasthimmlischen Reiche, Gewalten, Mächte und Herrschaften herrscht. Wo ist hier noch Jesus, der galiläische Jude, der Zimmermann, der Wanderprediger, der Rabbi, der Prophet, der Heiler und Wundertäter, der Weisheitslehrer, der mitten unter den einfachen Menschen wirkte. Wo ist er abgeblieben?

Die Maler haben das „GOtt hat ihn gesetzt zu seiner Rechten im Himmel“ sehr schön dargestellt. Wer mag da nicht an die prächtigen Ikonen des Pantokrators, des Allesbeherrschers, denken. Doch bedauerlicherweise, werden damit auch viele Unsinns-Vorstellungen vermittelt. „Sitzend zur Rechten GOttes“ ist keine Ortsangabe, sondern Ausdruck für einen Sachverhalt, der im Epheserbrief erläutert wird. Kurz gesagt: Er ist allen überlegen – egal, wie sie heißen mögen und sich aufführen.

Glauben wir das wirklich? Verhalten wir uns dementsprechend? Dann hätte nicht jedes politische Großmaul seine Wählermehrheit auch bei getauften Christinnen und Christen. Statt auf Fanfarentöne zu hören, sollten wir lieber darauf vertrauen, bei Christus in guten Händen zu sein. Denn die Königsherrschaft Christi ist von der Königsherrschaft GOttes abgeleitet. Jesu ist die sprichwörtliche rechten Hand GOttes und kein Thronusurpator. Er reißt die Macht nicht gewaltsam wie ein Diktator an sich. Denn was „Obrigkeit und Gewaltausübung und Krafterweisung und Herrschaft und alles, was einen Namen haben mag“ uns auch versprechen – und oftmals nicht halten –, das hat er erfüllt, und er wurde nicht zuletzt deswegen so grausam hingerichtet. Vor wieviel weltweitem Unglück wären wir bewahrt geblieben, wenn wir die Programm-Ideologen und Meister-Redner hätten schwätzen lassen und wären statt dessen dem gefolgt, der – arm, verachtet und (von außen gesehen) in Knechtsgestalt – sich für uns geopfert hat. An ihm, dem niemals Herrschsüchtigen, hatte GOtt seine Freude. Ihm hat er „nicht allein in diesem Weltzeitalter, sondern auch im bereits angebrochenen zukünftigen“ – das heißt: für alle Ewigkeit – jede Macht gegeben, weil er der einzige ist, der sie nicht mißbraucht. Er hat niemals Blut vergossen, außer sein eigenes.

Doch was bedeutet das, daß dieser Jesus, der verraten, verdammt, gequält und getötet wurde jetzt die Welt regiert. Ja, er sieht und versteht alles, und sein Urteil über alles, was wir tun und leiden, ist gerecht und gütig. Doch wieso spüren wir so wenig davon? Wieso macht sich das in unserem Leben so wenig bemerkbar? Warum gibt es noch so viel Leid und Ungerechtigkeit? Warum Tyrannen und Diktaturen, die ganze Völker unterdrücken? Warum ist der Frieden auf Erden noch immer nicht eingetreten? Was macht uns so gewiß, so überschwenglich von Christus zu sprechen?

Eine kleine und dabei vielleicht auch kluge Antwort, mag sich im alten Märchen vom Schneider im Himmel finden. Dort heißt es, daß ein Schneider an das Himmelstor kommt – aber Petrus will ihn nicht hereinlassen. GOtt und der gesamte himmlische Hofstaat seien gerade spazieren gegangen und solange dürfe niemand herein. Aber der Schneider bedrängt Petrus so lange, bis dieser ihn hereinläßt – aber er soll still hinter der Tür warten. Doch das tut der Schneider natürlich nicht, er wandelt umher, und als er an den Thron GOttes kommt, kann er es sich nicht verkneifen, mal probehalber Platz zu nehmen. Von dort sieht er, wie eine alte Frau zwei Schleier stiehlt und er wirft die Fußbank GOttes nach der Diebin. Als der HERR zurückkommt, vermißt er seine Fußbank und der Schneider erzählt ganz stolz, was er getan hat. Aber GOtt ist nicht einverstanden: So wird die Welt nicht regiert, spricht er, und schickt den Schneider, ihm die Fußbank wiederzuholen.

So wird die Welt nicht regiert! Wie wird sie denn regiert? Die Mächtigen, die mit Gewalt regieren und, wie der Schneider im Himmel, einzugreifen lieben, haben die Welt in große Gefahr gebracht. Diejenigen, die gern reinen Tisch machen und alles klar haben wollen, richten damit meistens mehr Kummer als Gerechtigkeit an. Jesus greift dagegen nicht gewaltsam in das Weltgeschehen ein, sondern mit seinem Wort. Wenn wir von ihm lernen, dann vergeht uns das Vertrauen auf jegliche Gewalt, und wir hören auf, anderen Angst zu machen. Denn Christi Reich ist kein Sehreich, sondern ein Hörreich. Seine Herrschaft und Überlegenheit reichen heute bereits so weit, wie wir auf ihn hören. Das andere kommt noch. Christus wird das letzte Wort haben. Wer das weiß, kann weder Spekulant noch Pessimist sein.

„GOtt hat ihn gesetzt zum Haupt der Gemeinde über alles, welches sein Leib ist“ – das macht deutlich: So weit weg ist dann der in die Himmel aufgefahrene Christus doch nicht. Er ist nicht nur Haupt des Leibes der Kirche, sondern sogar Haupt über alles. Doch die Kirche ist die Verkörperung Christi in der Welt, was voraussetzt, daß es sie ohne ihn gar nicht gibt. Das zeigt uns deutlich, daß Christus, auch wenn er über allen Himmeln, über alle pseudohimmlischen, halbhimmlischen oder fasthimmlischen Reiche, Gewalten, Mächte und Herrschaften steht, gar nicht weit weg ist. Wir wissen längst, daß mit Himmel nicht irgend etwas weit oben, weit weg gemeint ist, sondern jene andere und zukünftige Welt, an der wir jetzt schon Anteil haben. Vielleicht ist es da hilfreich, einem Mißverständnis zu entgehen, wenn wir ganz wörtlich mit den Himmeln übersetzten. Das machte schon deutlich, daß es um etwas anderes geht als das Weltall. Andere Sprachen haben hierin durchaus eine Unterscheidungsmöglichkeit. Am bekanntesten sind wohl sky und heaven im Englischen. Mag der sky auch dort oben sein, der heaven ist uns ganz nahe. Und somit ist uns auch Christus nahe. Der weltweite, himmelweite Christus ist auch eingegangen in die kleinste Dorfkirche, auch heute hier in unsere Pichelsdorfer Gnadenkirche und in das Kleinste unter uns. Darin haben wir einen Grund, daß wir selbst ohne Überheblichkeit herrlich sein können, denn in der Gemeinde, in uns Christinnen und Christen, verkörpert sich der Herr, wir sind sein Leib.

Er ist ganz nahe, näher als das Gewand, das wir auf dem Leib tragen – wie Martin Luther einmal sagte. Streichen Sie einmal über Ihren Rock oder Ihre Hose und machen Sie sich ganz klar: Der lebendige Christus ist mir noch näher als meine Kleidung, die ich trage. Das zu bedenken, kann uns grad in solchen Stunden helfen, in denen wir uns einmal sehr einsam fühlen. Daß wir diese Hoffnung immer wieder spüren, das wünsche ich uns allen.

Und der Friede GOttes,
welcher höher ist als alle Vernunft,
bewahre unsre Herzen und Sinne
in Christus Jesus.
Amen.

Dipl.-Theol. Andreas Baumann